alzheimer.ch - Neugierig auf exotische Instrumente

Mit Hang, Vibraton, Klangschale, Windspiel und Shaker ermöglicht Eva Blanco Menschen mit Demenz Stunden der Sinnlichkeit und des Glücks. Selbst anfangs Unmotivierte und angeblich Unmusikalische sind begeistert.

Von Petra Schanz - alzheimer.ch

Eva Blanco spielt mit Bewohner auf dem Handpan

Der Raum füllt sich langsam mit Menschen, während Eva Blanco aus Stühlen einen Kreis formt und ihre Instrumente auspackt. Pflegende begleiten Bewohnerinnen und Bewohner zu ihren Plätzen und schieben Rollstühle in den Kreis.

Schliesslich sind es sechs Frauen und vier Männer – alles Menschen mit Demenz – die an diesem Nachmittag im Tertianum Etzelgut in Zürich an der musikalischen Aktivierung teilnehmen.

Klavier, Gitarre und Lieder gehören allerdings nicht zum nachmittäglichen Programm. Eva Blanco hat Exotisches und Unkonventionelles mitgebracht. Gleich zu Beginn packt sie ein Hang aus und erklärt dessen Herkunft.

Eine Dame scheint sich zu erinnern, winkt ab und ruft etwas mürrisch, dass sie das doch schon kenne und bereits das letzte Mal davongelaufen sei. Sie bleibt vorerst sitzen und Eva Blanco lässt sich nicht beirren. Bald hat sie die Aufmerksamkeit im Raum und beginnt eine erste Melodie auf dem Hang zu spielen.


Klänge für Menschen mit Beeinträchtigungen

 

Eva Blanco, ausgebildete Shiatsu-Therapeutin, lernte das Hang vor etwa 15 Jahren durch einen Bekannten kennen. «Ich war sofort fasziniert», sagt sie, «zumal Musik schon immer einen wichtigen Platz in meinem Leben einnahm.»

Da es damals noch keine Lehrpersonen für dieses Instrument gab, brachte sie sich fast alles selbst bei. Oft hat sie sich Youtube-Videos von begabten Schlagzeugern und Perkussionisten angeschaut, denn diese seien meist sehr gute Hang- oder Handpan-Spieler.

Als sie eines Tages am See sass und Hang spielte, kam ein Kind mit einer Behinderung vorbei und hörte gebannt zu. «Das Kind war berührt und begeistert», erzählt Blanco. Sie ist davon überzeugt, dass die Hang-Klänge besonders bei Menschen mit Beeinträchtigungen ungefiltert ankommen und viel bewirken können.

Die Szene mit dem Kind am See brachte sie auf die Idee, das Instrument in Institutionen zu bringen, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner keine Möglichkeit haben, es sonst kennenzulernen.

Seit rund zweieinhalb Jahren setzt Eva Blanco diese Idee nun in die Tat um. Sie musiziert mit hirntraumatisierten Menschen, mit Kindern in einem pädagogischen Wohnheim, mit Menschen mit Behinderungen, mit Krebspatientinnen und -patienten sowie mit Menschen mit Demenz.

«Es erfüllt micht, wenn ich etwas weitergeben und Positives bewirken kann. Die Arbeit mit Menschen mit speziellen Bedürfnissen ist sehr bereichernd», sagt Blanco, die auch an Events spielt – Yoga, Vernissagen, Geburtstage – und Konzerte gibt.


Quakende Frösche und trabende Rössli

 

Inzwischen geht Eva Blanco mit einem Vibratone von Bewohnerin zu Bewohner. Das röhrenartige Instrument aus Metall wird mit einem Stab kurz geschlagen. Man öffnet und schliesst das Loch auf der einen Seite mit dem Finger und produziert so metallische, glockenartige Klänge.

Die Dame, die zu Beginn des Klangnachmittags gar nicht begeistert war, sagt als erstes, sie könne das nicht. Nach ein paar Versuchen gelingt es aber trotzdem und sie hat sichtlich Freude daran.

Die nächste Bewohnerin will das Instrument fast nicht mehr hergeben und ein Herr schlägt wie wild rundherum auf die Metallröhre. So unterschiedlich der individuelle Umgang mit dem Instrument so einheitlich ist die Konzentration, die jede und jeder einzelne beim Spielen zeigt.

Als nächstes machen vier Windspiele mit unterschiedlichen Klängen die Runde. «Schööööön» klinge das, so der allgemeine Tenor. Es folgt ein Holzfrosch mit kleinen Zacken auf dem Rücken, der wie ein Frosch quakt, wenn man mit einem Holzstab darüberstreicht.

Auch hier ist die Herangehensweise wieder sehr individuell. Während der eine rundherum rhythmisch draufklopft, streicht eine andere ganz vorsichtig und kaum hörbar darüber. Schliesslich quakt auch in der Natur nicht jeder Frosch gleich.

Nach dem Frosch zeigt Eva Blanco, wie auf einer Sansula gespielt wird, einem traditionellen afrikanischen Instrument aus der Familie der Kalimbas. Sie muss bei einigen mit den Fingern etwas nachhelfen. Zur Auflockerung erhalten alle einen kleinen Shaker, um etwas Rhythmus zu machen. Eine Bewohnerin findet, es klinge, wie ein «Rössli, das trabe».

Bewohner spielt mit Eva Blanco auf der Sansula


Begeisterung wecken

 

Die Erfahrungen, die Eva Blanco mit ihrer Musiktherapie macht, sind unterschiedlich. Natürlich sei es schon vorgekommen, dass jemand davongelaufen sei und gesagt habe: «Das isch en Seich.» Die meisten Rückmeldungen seien aber sehr positiv.

So konnte eine Frau ihren Arm besser bewegen nach der Arbeit mit der Klangschale. Oder Betreuende von Menschen mit Demenz berichteten, dass diese noch ein oder zwei Wochen danach davon gesprochen hatten.

In einem pädagogischen Wohnheim traf Eva Blanco kürzlich ein Mädchen, das sich in der Musiktherapie eher gelangweilt zeigte und sagte, dass ihr Musik nicht viel bedeute. Sie liess eine alte Handpan dort, damit die Kinder selbst damit spielen konnten.

«Nun habe ich die Rückmeldung bekommen, dass genau dieses Mädchen offenbar jede freie Minute mit der Handpan in ihrem Zimmer sitzt und übt», erzählt Eva Blanco. Das freue sie extrem, denn es zeige ihr, dass ihre Arbeit Früchte trage. Ihre Hauptmotivation sei es, den Menschen Augenblicke der Freude zu verschaffen und Begeisterung zu wecken.

Gegen Ende des Nachmittags geht Eva Blanco mit einer Klangschale herum.

Es ist ihr wichtig, dass die Bewohnenden nicht nur den Klang des Instruments hören, sondern auch dessen Schwingungen wahrnehmen.

Schliesslich macht auch noch das Hang die Runde, bevor Eva Blanco zum Abschluss noch eine Melodie darauf spielt.

«Einige Bewohner konnten mimisch nicht ausdrücken, dass es ihnen gefällt», sagt sie. Und trotzdem habe man gemerkt, dass die Musik sie berühre. Genau das ist es, was Eva Blanco möchte. Das A und O ihrer Arbeit sei Empathie. Sie habe mit so vielen unterschiedlichen Menschen zu tun – das Wichtigste sei es, sich in sie hineinzufühlen.

Auch Flexibilität ist gefragt. So hatte Blanco beispielsweise mit etwa vier Personen gerechnet an diesem Nachmittag, doch gekommen waren zehn. Ihr Traum ist es, mit Komapatienten zu arbeiten, denn: «Ich glaube, dass die Musik des Handpan an Orte vordringen kann, die sonst geschützt und verschlossen sind.»

 
Handpan
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